Der Schlackenbudiker

Mutter Dorn, die Tochter des Schlackenbudikers, erzählt!

„1922 kaufte mein Vater das Grundstück in der Straße 102A, jetzt Süderholmer Steig. Es gab weder Strom- noch Wasseranschluss. Wir hatten aus unserer Wohnung in der Stadt Berlin rausmüssen, die Wohnungen waren alle verlaust.

Vater baute ganz schnell aus Spundwänden, gefüllt mit Schlacke aus dem Gaswerk Sandhausen, und Zement die Mauern des Hauses. Kommt einem das bekannt Von? Deshalb der Name „Schlackenbudiker“. Vater hatte ein Lokal. die „Seerose“: "Hier konnten Familien Kaffee kochen.“

Also weiter: Hier am Süderholmer Steig siedelten damals vier Familien. So ergab es sich, dass die vier Familien jedes Wochenende ein kleines Fest gaben. Auf das Fest freuten wir Kinder uns die ganze Woche sehr, denn da war hier was los. Gegenüber der Seerose, damals war es erstmal ein Wohnhaus, war der Heiligensee noch unverbaut ohne Zaun und Bauten. Man hatte einen freien Blick über den See.

Jedenfalls kamen am Wochenende viele Angler an den See und sahen uns feien. Die Angler, die mit der Straßenbahn nach Heiligensee gekommen waren, hatten nur ihr Angelzeug dabei. Dann kamen sie zu uns zum Wohnhaus und fragten, ob sie nicht etwas zu trinken kaufen könnten?

Dazu muss gesagt werden: Ein Bewohner aus dem Schwabstedter Weg holte samstags immer zu Fuß zwei Kästen Bier vom Café Windbock („Schmeisser“) aus der Hennigsdorfer Straße. Der Transport lief so ab: eine Kiste Bier 200 m transportiert, zurück. Die zweite Kiste Bier geholt. Pause. Bier getrunken. Und so weiter. ich kann mich erinnern, dass zum Schluss immer nur eine Kiste Bier ankam.

Die Angler, die unsere Familien Bier trinken sahen, sagten: „Holt doch drei Kästen Bier, wir bezahlen es euch". Aus den drei Kästen Bier wurden zum Schluss 20 Kästen, die uns dann aber angeliefert wurden.

Bei Wetterumschwung konnten sich die Angler und Ausflügler nirgendwo unterstellen. So baute mein Vater aus Holz eine Veranda mit großem Vordach nur zum Unterstellen. Irgendwann wurde dann aber das Lokal „Zur Seerose“ eröffnet. Folgendes ist noch zu erzählen: Da wir kein Telefon hatten, aber Feuermeldestelle waren, bekamen wir ein Signalhorn. Bei Alarm mussten wir bis an das Seeufer und so lange in das Horn blasen, bis von der Nordseite des Heiligensees die Freiwillige Feuerwehr antwortete. Dann wurden beim nächsten Bauern, der gerade die Felder bestellte, die Pferde ausgespannt und zur Freiwilligen Feuerwehr gebracht, vor den Feuerwehrwagen gespannt und dann gings ab zur Brandstelle. Ich kann mich in meiner Jugend nur an zwei Brände erinnern. Das Horn aber hängt immer noch in meiner Wohnung auf der Veranda.

Meine Familie bewirtschaftete die „Seerose“ bis 1951, dann übernahm Familie Teike das Lokal. 1998 wurde die „Seerose“ abgerissen, jetzt steht dort eine Stadtvilla."

Frau Hedwig Dorn ist leider vor sechs Jahren verstorben, mit Freuden hatte Sie mir aber diese Geschichte im Jahr 2008 erzählt.