Teer, Pech und Kienöl. Oder Bier!

Wir starten unsere Tour an der Bushaltestelle „Im Waldwinkel“ (Bus 124) an der Ruppiner Chaussee. Die ist verkehrsberuhigt. (So dass man den Lärm der daneben liegenden Fast-Autobahn hören kann.) 

Etwa hier hat die Siedlung Schulzendorf vor gut 250 Jahren ihren Anfang genommen: An der früheren Poststraße Berlin – Hamburg. Der Weg war weit, die Straße holperig und die Wagen schwer beladen. Also mussten die Räder gut geschmiert sein. Dazu brauchten die Kutscher Schmiere. Die gab es hier in Form von Teer, Pech und Kienöl. Oder Bier! Ein geschäftstüchtiger Mensch, Forstrat Schultze, hatte 1703 vom Kurfürsten die Erlaubnis, für einen Teerofen und einen Ausschank erhalten. Letzteren gibt es heute noch: Gasthof „Sommerlust“, Hausnummer 143; seit Generationen im Besitz der Familie Neye.

Der Teerofen in Schulzendorf war Anfang des 18. Jahrhunderts nötig geworden, weil der erste Teerofen Heiligensees in Sandhausen (1607 – 1700) nicht mehr funktionstüchtig und der Wald ringsum bereits für die Teergewinnung abgeholzt war.

Für die Arbeiter des Teerofens errichtete man in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Häuser auf der linken Straßenseite heute Nummer 139/141). Sie stehen unter Denkmalschutz und erhalten acht Kleinstwohnungen, die vor gut zehn Jahren nach langem Leerstand sorgsam renoviert wurden. Dafür erhielt der Besitzer den „Bauherrenpreis 1992“: „Konservieren, Restaurieren, Modernisieren führten hier zu einer faszinierenden, zeitgemäßen Symbiose. … ein herausragendes Zeugnis der preußischen Landbaukunst.“ (Die Denkmale in Berlin-Reinickendorf. Hrsg. Bezirksamt Reinickendorf von Jaron Verlag, 1998) Wer hätte das gedacht – in Heiligensee? 

Zur „Sommerlust“: Rechts der heutigen Straße befanden sich als Heiligensee, wie auch andere Vororte der rasant wachsenden Stadt Berlin, ein beliebter Ausflugsort war, große sog. Sommerpavillons mit Tischen und Stühlen für Hunderte von Gästen. Aus dieser Zeit um 1900 liegen noch Ansichtskarten vor: „Restaurant Sommerlust, Albert Neye, Amt Tegel No. 112“ von 1902. „Prost, Justav, alte Nudel!“ schrieben die Ausflügler heiteren Sinnens.

Während des 2. Weltkrieges diente der Sommerpavillon des Restaurants als Lagerstätte für die Argus-Motorwerke in Reinickendorf, bis die Maschinen nach den Luftangriffen auf Tegel nach Lübars verbracht wurden. Es heißt, dass später die Kulissen des Schiller-Theaters, darunter auch das Schlafzimmer des bekannten UFA-Schauspielers Heinrich George, hier lagerten. Nach dem Krieg waren die Gegenstände sehr gefragt … und weg warnse.